Differenzierung im Unterricht - Mehraufwand?

Differenzierung im Unterricht wird heutzutage als Musterlösung angesehen, allen Schülern irgendwie gerecht zu werden. Bei extrem heterogenen Lerngruppen setzten viele Lehrkräfte Differenzierung mit ebenfalls extremen Mehraufwand gleich. Aber ist es wirklich zwingend mehr Aufwand?

Ich stelle euch hier ein paar Methoden vor, die mir Kollegen zugesandt haben, nachdem ich neulich eine Post zur Differenzierung veröffentlicht hatte.


Differenzierung mit Lern-Stationen:

Ein Vorschlag, der besonders in der Grundschule gut funktioniert, ist das Arbeiten an Lernstationen. Stationenarbeit kann man in allen Fächern durchführen und wenn sich die Kollegen auf den Ablauf von Stationen einigen, dann haben selbst Erstklässler den Trick schnell heraus.

Beim Planen von Stationen überlege ich mir immer, was ist die Mindestanforderung, die alle Schüler schaffen sollten und welche anderen Übungsformate ich anbieten könnte, die verschiedenen Lernertypen gerecht werden. Normalerweise  stelle ich dann für eine Doppelstunde zwei bis drei Pflichtaufgaben zur Verfügung, die alle Kinder bearbeiten müssen. Darüber hinaus gibt es Aufgaben, die sich auf spannende, kniffelige oder kreative Weise mit dem Thema beschäftigen. Wenn es sich anbietet, versuche ich auch eine digitale Station mit im Programm zu haben.

Wie sieht das in der Praxis aus?

Hier ein Beispiel aus dem Ziffernschreibkurs:

Alle Schüler sollen:

Über Zahlen sprechen ist nicht schwer, wenn die Schüler gemeinsam darüber nachdenken und sich gegenseitig unterstützen. Das geht auch im Deutsch als Fremdsprache Unterricht oder im sprachsensiblen Mathematikunterricht.
Zwei Schüler erstellen gemeinsam ein Memo Spiel. Sie müssen sich auf Darstellungsoptionen einigen. Dabei sprechen sie über die darzustellende Zahl. Beim Malen arbeitet jeder Schüler auf seinem Niveau.

1 Arbeitsblatt zu der jeweiligen Ziffer bearbeiten, bei dem es um die Schreibrichtung der Ziffer geht.
1 Arbeitsblatt zur Mengenwahrnehmung bearbeiten. (Oder entsprechende Aufgaben aus dem Mathebuch)



Als Wahlstationen gibt es:

1 Würfelspiel für kooperatives Lernen zur Ziffer
1 Knobelaufgabe zum Knobeln und Nachdenken
1 Darstellerische Aufgabe zum Schneiden, Kleben oder Basteln der Zahl
1 Arbeitsblatt zur Wahrnehmung: richtig oder falsch?

Schüler lernen von und miteinander, wenn sie gemeinsam eine schwierige Aufgabe lösen sollen. Nachdenken und Lernen. Zusammenarbeit fördern.
Bei kniffligen Knobelaufgaben tauschen Schüler ihre Ideen aus. Starke und schwache Schüler arbeiten gemeinsam und lernen voneinander.

Nachspurstationen (Sand, Tafel, Digitale Tafel)

Knetstation: Ziffer Kneten oder als Menge Darstellen (Kugeln, Würfel kneten)

Legestation: Aus Lego, Bausteinen, Bohnen, Murmeln oder ähnlichem Mengen legen.

Alle Schüler sollten möglichst 5 Stationen schaffen. Zwei sind Pflicht, drei dürfen gewählt werden. Super Schüler schaffen auch mehr! Sie bekommen dann die extra Erlaubnis noch andere Aufgaben zu bearbeiten. Ganz schwache Schüler schaffen vielleicht nur 4 Aufgaben. Sie müssen dann eine Extraaufgabe als Hausaufgabe mitnehmen. Niemand darf an die motivierenden Wahlaufgaben, wenn er sich nicht vorher bei den Pflichtaufgaben bemüht hat.

Während die Schüler an der digitalen Tafel schreiben kann der Lehrer am Bildschirm die Schreibrichtung beobachten.


Da viele motivierende Aufgaben, wie Nachspuren an der digitalen Tafel oder der Kreidetafel zu Hause nicht möglich sind und viele Kinder auch keine Knete zu Hause haben, sind die meisten Kinder extrem motiviert, diese Aufgaben in der Schule zu schaffen.
Auch die kooperativen Aufgaben wie: Sucht zu zweit Bilder für die Ziffer und stellt ein Lernposter her, oder ein Würfelspiel ist spannender in der Schule zu erledigen als zu Hause.

Müssen denn nicht alle Schüler das Gleiche lernen und machen?
Nein - Bei mir dürfen Schüler nach dem Pflichtteil auch nach ihren Vorlieben auswählen. In einer Evaluationsrunde am Ende der Stunde, oder manchmal am nächsten Tag, stellen die Schüler vor, was sie erarbeitet haben. So haben alle Kinder etwas davon.

"Wir haben ein Plakat gebastelt. Hier ist die 4. Hier sind vier Reifen. Das sind 4 Blätter beim Klee!" "Das ist eine vier aus Knete." etc. Auch dieses Evaluationsgespräch gibt allen Schülern die Chance über das, was sie gelernt haben zu sprechen. Schwache wie starke Schüler, alle haben ja etwas geschafft, jeder in seinem Tempo und mit seinen Fähigkeiten. Ein schwacher Schüler, der sehr langsam schreibt, kann vielleicht aber gut Kneten, oder einen Legoturm bauen und hat so auch die Chance auf Erfolg.

Ist das Stationenlernen mit differenzierten Aufgaben mit mehr Arbeit verbunden, als Lernstationen die für alle gleich sind? Nein - eigentlich nicht. Ins Gewicht fällt da eher, wie gut eine Schule ausgerüstet ist und welches Material vorhanden ist.  Sandkisten zum Schreiben im Sand, Bausteine, Bohnen oder ähnliches müssen halt einmal angeschafft sein. Dann kann man sie immer wieder benutzen.

Ähnlich wie beim Ziffernschreibkurs funktionieren die Stationen auch beim Erlernen der Buchstaben und später in Klasse 2 oder 3 beim Bearbeiten komplexerer Themen im Deutsch, Mathematik oder Sachunterricht.
Wichtig sind die gemeinsamen Gespräche über das was gelernt wurde, weil dort die Schüler voneinander lernen, der Lehrer die Chance hat aufgetretene Fehler zu besprechen und alle Schüler etwas beitragen können, jeder auf seinem Niveau. Im Gegensatz zu Aufgabenstellungen bei denen die Schüler nicht mitentscheiden können, was sie bearbeiten möchten, erreicht man so eine erhöhte Teilnahme (student engagement) und Motivation der Schüler.

Geht das in unruhigen Klassen mit Störern?

Ja, gerade in Klassen bei denen Schüler den Unterricht regelmäßig stören oder blockieren kann es sogar hilfreich sein, die Schüler selbst entscheiden zu lassen, wie sie ihren Lernprozess gestalten.
Der Lehrer gibt ja weiterhin vor, was gelernt wird. Das Ziel ist klar, nur den Weg entscheiden die Schüler selbst.














5 Kommentare:

  1. Genau so mache ich das auch. Meistens 3 Pflicht-Stationen, der Rest ist Spiel, Erweiterung, Vertiefung. Schwache Schüler sind stolz, wenn sie dann 'noch was' geschafft haben.

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    1. So ist das bei meinen auch. Und ich finde es gaaanz wichtig, dass weniger starke Schüler auch immer wieder mal stolz auf sich sein können. Das ist so extrem wichtig für ein gesundes Selbstwertgefühl, mal stolz zu sein, und mal Niederlagen zu haben. Aber nur Niederlagen machen krank. Ist ja bei uns Erwachsenen auch nicht anders...

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  2. Das ist sicher eine tolle Lösung für den Großteil der Klasse, um die Motivation zu erhalten. Wirkliche Differenzierung beginnt in meinen Augen allerdings erst dort, wo ich Kinder in meiner Planung berücksichtige, die wirklich auf einem anderen Niveau arbeiten. Kinder, die bei Eintritt in die 1. Klasse schon verschiedene Rechenoperationen beherrschen, dürfen nicht ausgebremst werden. Und gerade Kinder, die Schwierigkeiten mit der Erfassung der Menge haben, brauchen viel mehr Übung als 2 Arbeitsblätter.
    Daher fängt in meinen Augen die wirkliche Differenzierung erst dort an, wo ich individuelle Pläne für die Kinder meiner Klasse habe (ein großer Teil kommt dabei mit dem gleichen oder einem sehr ähnlichen Plan aus), die sich über mehrere Monate erstrecken. Während einige Kinder noch versuchen herauszufinden, was es mit diesem Zeichen "A" auf sich hat,schreiben andere schon erste Geschichten. Das macht anfangs sehr viel Arbeit (tatsächlich), gibt aber viel Luft in der Zeit, in der die Pläne dann laufen (als Lehrer ist man eh Saisonarbeiter).
    Falls jemand Lust hat, sich mit dieser Art der Differenzierung zu beschäftigen, dem kann ich diese beiden Bücher empfehlen: "Individuell lernen - gemeinsam arbeiten" und "Individuelles Lernen mit System". Auch mit der Kompetenzrasterarbeit habe ich gute Erfahrungen gemacht. Dann braucht man allerdings eine Idee, was die Kinder, die schnell das Ziel erreicht haben, im Anschluss sinnvoll machen können. (Bei mir haben sie z.B. Schach gelernt.)
    LG! Chester

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    1. Hallo Chester! Ich bin eigentlich nicht anderer Meinung als Du, außer, was die zwei Arbeitsblätter betrifft: Wenn die Schüler starke Schwierigkeiten haben mit Mengen oder auch anderen Themen, dann hab ich die Erfahrung gemacht, dass es gar nichts bringt, wenn ich noch mehr vom selben mache. Dann versuche ich lieber auf anderen Wegen zum Ziel zu kommen. Mit legen, kleben, basteln, erfühlen, selbst zeichnen. Bei mir funktionieren auch Expertenteams super, also solche wo die starken den schwächeren Kindern nochmal in Kindersprache erklären. Ich weiß nicht, ob das nur wegen der speziellen Auslandsschulsituation so toll funktioniert, aber es hilft den schwachen akademisch und den meisten starken Schülern auf der sozialen Ebene. Ich kenne leider die Bücher nicht, von denen du schreibst, aber sie klingen sehr interessant. Ich werde sie mal googeln. Und ja, bei ganz großen Unterschieden bin ich genau deiner Meinung. Da muss man dann nochmal anders ran. Ich benutze da nach dem Pflichtteil dann gerne kooperative Aufgaben, Knobelaufgaben oder auch Aufgaben am Computer. Bei meinen Erstklässlern habe ich 2 Freaks, die schon locker bis 100 rechnen und multiplizieren. In den freieren Arbeitsphasen dürfen sie an der Computerstation selbst ihr Programm auswählen (also ich benutze die online Programme vom Lehrmittelverlag Zürich.) Während die Erstklässler ein Spiel aus Klasse 1 auswählen, dürfen die beiden Mathehelden entscheiden, ob sie etwas aus Klasse 1 oder Klasse 2 auswählen.
      Meine Schülerin mit Sehbehinderung zum Beispiel kann bei den Computerstationen wesentlich besser arbeiten, als mit dem Mathebuch, da das Mathebuch nicht auf einen klick seine größe verdoppelt. Aber bei solchen Spezialfällen muss man spontan schauen. Wollte eigentlich auch nur Mut machen, zu mehr freien Entscheidungen, und weg vom reinen Frontalunterricht und dem "gleichen AB für alle". Ich würde mich freuen, wenn du mir zu den Büchern noch mehr Infos geben könntest! LG, Jasmin

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  3. Hallo Jasmin,
    mit meiner Äußerung „da reichen 2 Arbeitsblätter nicht“ meinte ich auch nicht, dass es noch mehr ABs sein müssen. Da bin ich ganz deiner Meinung, dass man erneut auf die handelnde Ebene wechseln muss. Und ja, die Kinder selbst ihre Aufgaben aus einem Pool aussuchen zu lassen, wie du es in deinem Beitrag beschrieben hast, finde ich auch sehr viel sinnvoller, als alle im Gleichschritt durch das Programm zu jagen.
    Was ich ausdrücken wollte: Ich denke, wir müssen insgesamt von dem weg, was in den Referendariatsseminaren immer so hochgehalten wird (zumindest bei uns in Niedersachen), dem Stundenziel. Ich glaube, das wurde nur erfunden, um die angehenden Lehrer vermeintlich „objektiv“ bewerten zu können.
    Beide Bücher zeigen eine Möglichkeit auf, die unterschiedlichen Kinder einer Klasse über einen langen Zeitraum in ihrem Tempo lernen zu lassen. Im "Individuelles Lernen mit System" werden Pläne ausgegeben, die nicht für einen festen Zeitraum bestimmt sind (wie es z.B. bei Wochenplänen der Fall ist), sondern solange gelten, bis sie fertig sind (nach einigen Monaten). Dabei gibt es ein Regal mit recht vielen Materialien zu den verschiedenen Lerninhalten, die recht eindeutig durch Symbole, Farben, Zahlen gekennzeichnet sind (deshalb „mit System“). Dort können die Kinder auch selber etwas aussuchen, der Lehrer kann im Plan aber auch durch die eindeutige Benennung direkt ein Material vorgeben. Wenn die Kinder selber etwas aussuchen, tragen sie die Kennzeichnung in ihrem Plan ein, so kann auch der Lehrer nachvollziehen, was sie gemacht haben. Die Vorbereitung ist sehr aufwendig, das muss ich zugeben. Ich habe das im 1. + 2. Jahr meiner Klasse ausprobiert (allerdings habe ich nicht jedes Material einzeln gekennzeichnet, sondern immer Materialgruppen zu einem Lernbereich). Die Vorbereitung war trotzdem sehr aufwendig (war aber auch meine erste Klasse und ich konnte auf keine vorhandenen Materialien zurückgreifen), hat mir aber auch sehr viel Spaß gemacht. Dadurch, dass die Kinder sehr schnell sehr selbständig gearbeitet haben, hatte ich immer viel Zeit, mich einzelnen Kindern zu widmen. Ich habe den Kindern auch freigestellt, ob sie Mathe oder Deutsch machen wollen. Mit den Noten ab Klasse 3 und den damit verbundenen gemeinsamen Lernzielkontrollen bin ich dann in einzelnen Bereichen auf Kompetenzraster umgestiegen. Sprich: Die Kinder mussten dann leider auch bei mir eher im Gleichschritt lernen, also zu einem bestimmten Zeitpunkt (Termin der Klassenarbeit) bestimmte Lernbereiche abgedeckt haben.
    "Individuell lernen - gemeinsam arbeiten" habe ich(noch) nicht ausprobiert, nur mit sehr viel Begeisterung gelesen. Im Wesentlichen wird dort mit Lernwegen gearbeitet (ich glaube, das ist auch schon relativ weit verbreitet). Was mir aber besonders gefallen hat waren die Lernbüros. Jedes Kind hat dort seinen Lernplatz, der recht abgeschirmt ist von anderen (Kostenfaktor, ist aber erträglich) und den es selbst gestalten kann. (Natürlich gibt es auch Plätze für Partner- und Gruppenarbeiten.) Auch hier gilt, im eigenen Tempo voranzuschreiten, weder auf andere warten zu müssen, noch Mitschüler durch das eigene Arbeitstempo auszubremsen.
    Beide Methoden würde ich nicht 1:1 umsetzen, aber ich finde, es lohnt sich, mal reinzulesen und es ggf. mit eigenen Arbeitsweisen zu verknüpfen. Oder auch einfach nur, um mal ein Gefühl dafür zu bekommen, was möglich ist.
    LG! Chester

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