Differenzierung im Unterricht wird heutzutage als Musterlösung angesehen, allen Schülern irgendwie gerecht zu werden. Bei extrem heterogenen Lerngruppen setzten viele Lehrkräfte Differenzierung mit ebenfalls extremen Mehraufwand gleich. Aber ist es wirklich zwingend mehr Aufwand?
Ich stelle euch hier ein paar Methoden vor, die mir Kollegen zugesandt haben, nachdem ich neulich eine
Post zur Differenzierung veröffentlicht hatte.
Differenzierung mit Lern-Stationen:
Ein Vorschlag, der besonders in der Grundschule gut funktioniert, ist das Arbeiten an Lernstationen. Stationenarbeit kann man in allen Fächern durchführen und wenn sich die Kollegen auf den Ablauf von Stationen einigen, dann haben selbst Erstklässler den Trick schnell heraus.
Beim Planen von Stationen überlege ich mir immer, was ist die Mindestanforderung, die alle Schüler schaffen sollten und welche anderen Übungsformate ich anbieten könnte, die verschiedenen Lernertypen gerecht werden. Normalerweise stelle ich dann für eine Doppelstunde zwei bis drei Pflichtaufgaben zur Verfügung, die alle Kinder bearbeiten müssen. Darüber hinaus gibt es Aufgaben, die sich auf spannende, kniffelige oder kreative Weise mit dem Thema beschäftigen. Wenn es sich anbietet, versuche ich auch eine digitale Station mit im Programm zu haben.
Wie sieht das in der Praxis aus?
Hier ein Beispiel aus dem Ziffernschreibkurs:
Alle Schüler sollen:
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Zwei Schüler erstellen gemeinsam ein Memo Spiel. Sie müssen sich auf Darstellungsoptionen einigen. Dabei sprechen sie über die darzustellende Zahl. Beim Malen arbeitet jeder Schüler auf seinem Niveau. |
1 Arbeitsblatt zu der jeweiligen Ziffer bearbeiten, bei dem es um die Schreibrichtung der Ziffer geht.
1 Arbeitsblatt zur Mengenwahrnehmung bearbeiten. (Oder entsprechende Aufgaben aus dem Mathebuch)
Als Wahlstationen gibt es:
1 Würfelspiel für kooperatives Lernen zur Ziffer
1 Knobelaufgabe zum Knobeln und Nachdenken
1 Darstellerische Aufgabe zum Schneiden, Kleben oder Basteln der Zahl
1 Arbeitsblatt zur Wahrnehmung: richtig oder falsch?
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Bei kniffligen Knobelaufgaben tauschen Schüler ihre Ideen aus. Starke und schwache Schüler arbeiten gemeinsam und lernen voneinander. |
Nachspurstationen (Sand, Tafel, Digitale Tafel)
Knetstation: Ziffer Kneten oder als Menge Darstellen (Kugeln, Würfel kneten)
Legestation: Aus Lego, Bausteinen, Bohnen, Murmeln oder ähnlichem Mengen legen.
Alle Schüler sollten möglichst 5 Stationen schaffen. Zwei sind Pflicht, drei dürfen gewählt werden. Super Schüler schaffen auch mehr! Sie bekommen dann die extra Erlaubnis noch andere Aufgaben zu bearbeiten. Ganz schwache Schüler schaffen vielleicht nur 4 Aufgaben. Sie müssen dann eine Extraaufgabe als Hausaufgabe mitnehmen. Niemand darf an die motivierenden Wahlaufgaben, wenn er sich nicht vorher bei den Pflichtaufgaben bemüht hat.
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Während die Schüler an der digitalen Tafel schreiben kann der Lehrer am Bildschirm die Schreibrichtung beobachten. |
Da viele motivierende Aufgaben, wie Nachspuren an der digitalen Tafel oder der Kreidetafel zu Hause nicht möglich sind und viele Kinder auch keine Knete zu Hause haben, sind die meisten Kinder extrem motiviert, diese Aufgaben in der Schule zu schaffen.
Auch die kooperativen Aufgaben wie: Sucht zu zweit Bilder für die Ziffer und stellt ein Lernposter her, oder ein Würfelspiel ist spannender in der Schule zu erledigen als zu Hause.
Müssen denn nicht alle Schüler das Gleiche lernen und machen?
Nein - Bei mir dürfen Schüler nach dem Pflichtteil auch nach ihren Vorlieben auswählen. In einer Evaluationsrunde am Ende der Stunde, oder manchmal am nächsten Tag, stellen die Schüler vor, was sie erarbeitet haben. So haben alle Kinder etwas davon.
"Wir haben ein Plakat gebastelt. Hier ist die 4. Hier sind vier Reifen. Das sind 4 Blätter beim Klee!" "Das ist eine vier aus Knete." etc. Auch dieses Evaluationsgespräch gibt allen Schülern die Chance über das, was sie gelernt haben zu sprechen. Schwache wie starke Schüler, alle haben ja etwas geschafft, jeder in seinem Tempo und mit seinen Fähigkeiten. Ein schwacher Schüler, der sehr langsam schreibt, kann vielleicht aber gut Kneten, oder einen Legoturm bauen und hat so auch die Chance auf Erfolg.
Ist das Stationenlernen mit differenzierten Aufgaben mit mehr Arbeit verbunden, als Lernstationen die für alle gleich sind? Nein - eigentlich nicht. Ins Gewicht fällt da eher, wie gut eine Schule ausgerüstet ist und welches Material vorhanden ist. Sandkisten zum Schreiben im Sand, Bausteine, Bohnen oder ähnliches müssen halt einmal angeschafft sein. Dann kann man sie immer wieder benutzen.
Ähnlich wie beim Ziffernschreibkurs funktionieren die Stationen auch beim Erlernen der Buchstaben und später in Klasse 2 oder 3 beim Bearbeiten komplexerer Themen im Deutsch, Mathematik oder Sachunterricht.
Wichtig sind die gemeinsamen Gespräche über das was gelernt wurde, weil dort die Schüler voneinander lernen, der Lehrer die Chance hat aufgetretene Fehler zu besprechen und alle Schüler etwas beitragen können, jeder auf seinem Niveau. Im Gegensatz zu Aufgabenstellungen bei denen die Schüler nicht mitentscheiden können, was sie bearbeiten möchten, erreicht man so eine erhöhte Teilnahme (student engagement) und Motivation der Schüler.
Geht das in unruhigen Klassen mit Störern?
Ja, gerade in Klassen bei denen Schüler den Unterricht regelmäßig stören oder blockieren kann es sogar hilfreich sein, die Schüler selbst entscheiden zu lassen, wie sie ihren Lernprozess gestalten.
Der Lehrer gibt ja weiterhin vor, was gelernt wird. Das Ziel ist klar, nur den Weg entscheiden die Schüler selbst.